1. FC Köln vs. RB Leipzig (1:2) 2:4
0.80 zu 3.21 Expected Goals
Der FC kassiert nach der Corona-Pause zu viele „billige“ Gegentore. Vor allem, wenn der Gegner ein Angriffspressing ausübt oder lediglich andeutet. Hierbei kommt es zu oft zu hektischen Befreiungsschlägen, die die Kontrahenten für schnelle konter-ähnliche Spielzüge nutzen. Dabei zeigt sich die Innenverteidigung als nicht stabil genug. So verliert der FC gegen Leipzig verdient. Auch aufgrund massiver Defizite in der Absicherung von eigenen, sowie gegnerischen Standardsituationen.
Beide Teams begannen im 4231-System. Der FC-Coach Gisdol wechselte personell, bleibt
allerdings seinem System weitgehend treu. Etwas konsequenter schob „Elvis“ im Anlaufen nach vorne, wodurch sich der FC in einer 442-Anordnung formierte, wenn Leipzig das Spiel aufzog. Anfangs suchte
Köln mit diesem 442 ein aggressives Forechecking. Das führte bei den Leipzigern erst zu erstaunlichen Ballverlusten, jedoch hielt dies nicht lange an; danach griff der FC die Gegenspieler erst tiefer
ungefähr auf Höhe der Mittellinie an. In der Zentrale sicherte Skhiri die weiträumig seitlichen oder offensiven Bewegungen von Hector ab. Die Außenverteidiger rückten eher vorsichtig
auf.
Bei
Leipzig agierte Werner meist hinter Mittelstürmer Schick, um Verbindungen zu schaffen und aus der Tiefe heraus auf den Flügel oder in den Strafraum zu sprinten. Auf den Flügeln waren die
Leipziger deutlich offensiver als die Geißböcke. Die 4 Angreifer postierten sich im Pressing häufig so, dass Leistner der Spielaufbau aufgezwungen wurde.
Gelegentlich wechselte RB dann in ein Angriffspressing, um bei Leistner unkontrollierte Befreiungsschläge hervorzurufen.
Zu erkennen in der 5. Minute. Leistner hat Mühe einen kurzen Pass zu spielen. Werner und Nkunku schneiden die Passwege nach innen und außen ab.
Folglich wird der Druck zu hoch.
In der Verteidigung der eigenen Hälfte zeigte sich Leipzig meistens wuchtiger und kompakter als der FC. Aggressiv übten sie Druck aus.
Nicht selten gewannen sie den Ball jedoch schon früher, wenn der FC zu unpräzisen Befreiungsschlägen ansetzte.
Das 442 gegen Ball sollte den Leipzigern wohl die Spielzüge durch die Mitte erschweren, die sich Trainer Nagelsmann wünscht (Er achtet penibel
darauf, dass seine Teams nicht zu breit attackieren). In der Regel konnte Red Bull dennoch die Pressinglinien des FC überspielen. Zum Teil durch ein dynamisches Andribblen von Upamecano. Ferner
waren die Abstände zwischen den Pressinglinien der Kölner zu "luftig" angelegt. Die vertikale Kompaktheit passte nicht immer. In der 8. Minute z.B. hat Upamecano zu wenig Gegnerdruck. Er dribbelt
in die Mitte zwischen "Elvis" und Cordoba.
Gleichwohl erzielt Köln die Führung: Cordoba bindet Klostermann im Strafraum, weswegen kein Abseits entstehen kann. Upamecano offenbart eine
Schwäche im Stellungsspiel. Wenn Leipzig keine wuchtige Aggressivität im Kollektiv entwickeln konnte, war die Abwehrreihe stets anfällig. Kainz´ Top-Pass eröffnete die Chancensitaution zur
Führung.
Die Spielanlage der Leipziger mit Werner auf der "10" war für den FC zu oft nicht greifbar. Skhiri und Hector waren aufgerückt, dahinter besetzte
Werner die Räume clever und temporeich. Ab und an wechselte er mit Nkunku die Position. Werners Rolle und seine Interpretation nutzten die Schwäche des 4231/442 Gisdols gut
aus.
Bei Ecken der Leipziger besetzten die Kölner vor allem die Räume rund um das Tor und allen voran den ersten Pfosten. Im Rückraum fehlte ein Akteur,
um Zugriff herzustellen, wenn Leipzig den Ball nach einer Abwehraktion erhalten sollte. Diese (fehlende?) Aufteilung sollte noch zu einem Gegentor führen...
Ein Befreiungsschlag von Keeper Horn leitete den 2. Gegentreffer ein. Zwischenzeitlich hatte Schick das 1:1 erzielt, nachdem er bei einer Flanke das
Kopfduell gegen Leistner gewann. In der 38. Minute wurde Czichos beim Spielaufbau von Werner angelaufen, sodass er nur noch zu Horn zurücklegen konnte. Der unglückliche Abschlag wird von Leipzig
genutzt, um zügig umzuschalten. Nkunku dribbelt Kainz und Leistner aus und kann mittig gen Horn laufen. Die Umschaltsituation wird durch einen herausragenden Lupfer vollendet. Wie schon in den
Partien zuvor, zeigt der FC große Probleme bei konter-ähnlichen Angriffen, wenn der Ball im Spielaufbau durch einen Befreiungsschlag verloren wurde.
Im Gegensatz zum 1. FC Köln verteidigte die Truppe von Nagelsmann Ecken im Rückraum. Angelino postierte sich auf Höhe der
Strafraumlinie.
In der 2. Halbzeit startete Werner forcierter als 2. Stürmer neben Schick. So wurden die Außenverteidiger des FC verstärkt nach hinten gedrückt, um
ihren zentralen Kollegen Unterstützung zu leisten. In der Szene in der 47. Minute kommen Skhiri und Hector zu spät in die Zweikämpfe. Nkunku rückte vorher nach innen. Schmitz konnte ihm, seinem
nominellen Gegenspieler, nicht nach folgen, da er von Werner gebunden wurde. So nutzte Nkunku den freien 10er Raum, um diesen in eine Chance umzumünzen.
Kurios wurde es in der 50. Minute: Bei eigenem Offensiv-Freistoß aus seitlicher Position schaffte es Köln, die Absicherung auszulassen.
Freistoßschütze Kainz reagierte nicht, als Werner direkt an ihm vorbei sprintete. Hinten war nur Katterbach auf der ballfernen Seite als Absicherung abgestellt. Die "normale" Absicherung sieht
auf diesem Niveau 2-3 Spieler vor, die solche Konter unterbinden oder zumindest verlangsamen sollen, indem sie hinten bleiben und eine gewisse Breite abdecken. Doch eine Breite konnte nicht
hergestellt werden, weil Katterbach allein gelassen wurde. Daher konnte Werner ungestört den starken Abschlag von Gulasci aufnehmen und das 1:3 erzielen.
Ein Kunstschuss von Anthony Modeste konnte zwar den Anschluss herstellen, doch kurz danach rächte sich die fehlende Deckung im Rückraum bei Ecken
der Leipziger. Eine kritikwürdige Abwehraktion von Modeste wird von Olmo im Rückraum aufgesammelt. Dieser wird zu spät von Kölns Verteidigung gestört und kann sehenswert einnetzen. Eine
personelle Absicherung im Rückraum hätte Olmo beim Schuss behindern können.
Sowohl strukturelle Probleme (Im Spielaufbau gegen ein smartes und/oder intensives Pressing), als auch taktische Probleme (bei der
Absicherung/Deckung von Standardsituationen) generierten, abermals, Gegentore; diesmal 3 von 4!
Pressingsituationen im Mittelfeld können zu häufig nicht (zeitig genug) von Hector und Skhiri gewonnen oder gehalten werden, wodurch Lücken im Zentrum entstehen.
Positiv hervorzuheben ist, dass der FC seit der Anstellung von Cheftrainer Gisdol stets gefährliche Chancen kreieren kann, was auch von der konsequenten Besetzung der Box durch mehrere Spieler (meist Stürmer, Offensiver Mittelfeldspieler und Hector) gefördert wird.
Gleichwohl werden die Defizite in der Defensive offensichtlicher. Sollten diese individuellen Schwächen (z.B. in der Innenverteidigung bei Leistner oder bei den Rechtsverteidigern) bestehen bleiben, müssten zwingend die taktischen Baustellen geschlossen werden. Sonst werden sich die nächsten Gegner des 1.FC Köln zu einfach auf diese Faktoren einstellen können.
Da Gisdol und Heldt bereits indirekt einen Systemwechsel ausschlossen, wird es vor allem darauf ankommen, dass Bornauw nach seiner Rot-Sperre die
Qualität gegenüber Leistner anhebt und Basics im Defensiverhalten wieder greifen.